Deutscher Geschichtsverein des Posener Landes e.v.

Das 19. Geschichtsseminar des DGV 2016

Das diesjährige Geschichtsseminar des Deutschen Geschichtsvereins (DGV) des Posener Landes e.V. „Nachbarland Polen. Historische Entwicklung und Rückschlüsse für die Gegenwart“ fand vom 12.2. bis 14.2.2016 erneut im Gustav Stresemann-Institut in Medingen, einem Ortsteil von Bad Bevensen, statt. Die Themenwahl war auch in diesem Jahr so gestaltet, daß geschichtliche Aspekte und auch die Neuzeit behandelt wurden.

Die Teilnehmer reisten z. T. von weit her an und nach dem gemeinsamen Kaffee begrüßte der Tagungsleitung Horst Eckert die Seminarteilnehmer. Er führte in die diesjährige Themenauswahl ein. Die Moderation teilte er sich mit Dr. Eike Eckert. Für die Organisation vor Ort war auch in diesem Jahr die Schatzmeisterin des DGV, Gudrun Backeberg, zuständig.

Der erste Punkt der Tagung war ein Zeitzeugenbericht von Wilma Matt, Barnstedt, aus der Heimatkreisgemeinschaft Eichenbrück-Wongrowitz: Erinnerung an die Heimat, Flucht und Vertreibung mit dem Neuanfang nach 1945. Frau Matt stammt aus einem Dorf im Kreis Wongrowitz (W?growiec), wo ihre Eltern eine kleine Landwirtschaft besaßen. Sie schilderte ihre Erinnerungen an die Heimat, das Zusammenleben mit den polnischen Nachbarn und die Ereignisse im 2. Weltkrieg, die zur Umsiedlung der Familie führten, da der Vater einen anderen Hof übernehmen mußte. Es folgten die Darstellungen von Flucht und Vertreibung, die die Familie in den Landkreis Lüneburg führte, und sie hier einen schwierigen Weg ins Berufsleben hatte, der sie bis zur Pensionierung in die Altenpflege in Hamburg leitete.

Nach dem Abendessen setzte der Historiker Dr. Martin Sprungala, Dortmund, die Vortragsreihe fort: Die Deutschen aus Polen organisieren sich nach 1945 in Vereinen und Selbsthilfeeinrichtungen. Anfangs waren es humanitäre Organisationen, die den Vertriebenen halfen, ihre Angehörigen wiederzufinden, Arbeit und den Lebensunterhalt erlangen zu können bis hin zur seelischen Versorgung mit der heimatlichen Kultur und Konfession. Zur Triebfeder der Selbsthilfeeinrichtungen wurden die kirchlichen Hilfskomitees, die nach der Gründung der Bundesrepublik die politische Vertretung, die Landsmannschaft Weichsel-Warthe, gründeten und dann gemeinsam Heimatkreise, Schulgemeinschaften u. a. Vereine unterstützten.

Am darauffolgenden Tag widmete sich Dr. Peter Oliver Loew, der stellvertretender Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt ist, dem Thema: Wir Unsichtbaren – Polen in Deutschland (Schwerpunkt nach 1945)“. Die Polen waren die Protagonisten für die folgenden Einwanderungen in Deutschland. Seit dem 19. Jahrhundert kamen polnische Saisonarbeiter in die Industriegebiete und als sog. „Sachsengänger“ in die ländlichen Regionen. Das dunkelste Kapitel der polnisch-deutschen Beziehung stellt der 2. Weltkrieg mit der Aussiedlung, Entrechtung und Zwangsarbeit der Polen dar, der dann dasselbe Schicksal den Deutschen folgte.

Nach dem Krieg gab es in den vier Besatzungszonen etwa 1,7 Mio. Polen, sog. „displacedpersons“. Viele Polen wollten damals nicht zurück in ihre nun zur UdSSR gehörenden Heimatgebiete oder ins kommunistische Polen. Da es seit 1945 keine polnischen Altsiedelgebiete mehr in der Bundesrepublik gibt, ist die Umsetzung des Anspruchs auf Anerkennung der Polen als Minderheit in Deutschland jedoch kaum realisierbar, schlußfolgerte der Referent. Heute leben etwa 675.000 polnische Staatsbürger (2014) in Deutschland und etwa 1,47 Mio. Einwohner (2011) haben einen polnischen Migrationshintergrund.

Anschließend folgte der Vortrag „Von Lissa über Leszno nach Lissa: deutsche Geschichte und polnische Perspektive (Die Vermittlung des deutschen kulturellen Erbes in Polen am Beispiel der Stadt Lissa)“ des nun in Mönchengladbach tätigen Hautarztes Dr. Marcin B?aszkowski aus Leszno. Er sprach über das wachsende Interesse der heutigen Bevölkerung an der Geschichte der Stadt, die bis 1920 weitgehend eine deutsche war. Als Lutheraner ist er sehr an der protestantischen Geschichte der Stadt interessiert, vor allem an dem Kirchenlieddichter Johann Heermann. Auch hat er sich sehr um die Errichtung einer Gedenkstätte für das Lager Gronowo/ Grune eingesetzt, doch die Bemühungen seiner- als auch deutscherseits von Renate Sternel und Dr. Sprungala brachten keinen Erfolg (siehe „Die 300 noch nicht vergessenen Gräber im Lager Leszno in Gronowo“ in: Posener Stimmen, 4/2008). Heute steht das ehemalige Gelände des Lagers zur Bebauung für eine Wohnsiedlung an, ohne daß es eine Gedenktafel geben wird.

Nach der Mittagspause stellte Dr. Peter Oliver Loew ein deutsches Leben mit polnischer Kultur vor: „Der Pianist und Komponist Xaver Scharwenka aus Samter 1850-1925“. Die ursprünglich aus Böhmen stammende Familie sah sich als deutsch an, doch mütterlicherseits waren sie Polen. Scharwenka machte mit seinen polnisch beeinflußten Kompositionen eine Weltkarriere. Er tourte durch Deutschland und die USA und wurde ein wohlhabender Mann.

Den letzten Vortrag dieses Tages hielt Dr. Karol Górski mit der „Biographie der Gräfin von Schlieffen aus Wioska im Kreis Wollstein“. Sie war die Tochter des Rittergutsbesitzers v. Reiche aus Rosbitek im Kreis Birnbaum. Ihr Mann, Hermann Graf v. Schlieffen, fiel 1915 in der Schlacht bei Jaroslau in Galizien. Sie wird geschildert als die gute Gutsherrin, die intensiven Anteil am Leben ihrer Leute nahm. Sie war Dichterin und Musikerin und machte aus ihrem Gut einen Musterbetrieb. Typisch für ihr Denken und ihre religiöse Haltung drückt ihr bekanntestes Zitat aus: „Haß gegen Polen soll nicht unsere Losung sein, denn zum Hassen sind deutsche Herzen zu rein“ (siehe Jahrbuch Weichsel-Warthe 2008, S. 22).

Am letzten Seminartag setzte der Posener Germanist, Dr. Karol Górski, die Biographienreihe fort: „Die Bronzestatue der ersten polnischen Herrscher in der Goldenen Kapelle des Posener Doms als Meisterleistung Daniel Christian Rauchs und der Lausitzer Bronzegießer von Lauchhammer.“ Er stellte kurz das Leben der beiden Herrscher, aber auch das des Künstlers vor und schilderte auch die Geschichte der bekannten Bronzegießerei. In seinem Vortrag ging er auch auf die Posener Dominsel und ihre neueste Errungenschaft, das Museum „Das Posener Tor“ ein. Dieses interaktive Zentrum für die Geschichte der Dominsel wurde seit 2009 mit EU-Fördermitteln (60 %) errichtet und am 30.4.2014 eingeweiht.

Den letzten Vortrag dieses Seminars hielt der Historiker Dr. Martin Sprungala, Dortmund: „Polnische Aufstände und Streiks in der Provinz Posen – 1793-1919“. Es war ein „Marsch“ durch die Geschichte der preußischen Teilungszeit bis zur Wiederentstehung Polens als Folge des 1. Weltkriegs und des Großpolnischen Aufstands von 1919.

Anschließend stellte Dr. Frank Stewner kurz die Arbeit seines Vaters, des Fotographen Ernst Stewner, vor, ehe mit der obligatorischen Auswertung die Tagung 2016 endete.

Das nächste Seminar, das dann bereits das 20. Posener Geschichtsseminar sein wird, ist für die Zeit vom 10. bis 12.2.2017 geplant.

Dr. Martin Sprungala

Einladung zum 21. Geschichtsseminar  vom 09.02. – 11.02.2018

DGV des Posener Landes e.V. Am Pathsberg 23 –Geschäftsstelle- 29549 Bad Bevensen –
Tel. 05821-7666 – Mail: Eckert.HKW@t-online.de

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Posener

Heimatfreunde und Mitglieder des DGV

Im Namen des „Deutschen Geschichtsvereins (DGV) des Posener Landes e.V.“,
der Landsmannschaft Weichsel-Warthe/Bundesverband,
der Posener Heimatkreise und den „Posener Stimmen“
lade ich Sie zum 21. Geschichtsseminar des DGV herzlichst ein.
Das Seminar wird von der Bundeszentrale für  politische Bildung gefördert (beantragt).

.Teilnehmer: Zu diesem Seminar sind alle willkommen, die sich für diese Thematik interessieren. Sie
 müssen nicht aus der Provinz Posen stammen.

Anmeldung bitte bis: 10.01.2018 bei – s.o.Briefkopf. – es stehen nur 50 Plätze  lt. Förderrichtlinien
zur Verfügung. Bitte senden Sie den beigefügten Anmeldebogen unverzüglich an den DGV zurück,
damit wir eine endgültige Teilnehmerstärke festlegen können.  Auch wenn Sie schon eine
Voranmeldung abgegeben haben !

Zusage wird nach der schriftlichen  Anmeldung im Januar vergeben und auch das endgültige
Programm. Anmeldevordruck letzte Seite.    Es sind noch Plätze frei !

Termin und Zeitablauf: Eintreffen am 09.02.2018 ab 1400 Uhr. Um 1530 Uhr Kaffee/1600 Uhr
Seminarbeginn. Seminarende am 11.02.2018 um 1230 Uhr - anschließend gemeinsames Mittagessen.
Programm  s. unten - geplant

Teilnehmerbeitrag:  85,-- € - darin sind Unterkunft im 2-Bettzimmer, Verpflegung, und ein Teil der
Kosten für die Referenten enthalten.

Zusätzlich 25,--€ Organisationszuschlag u.a. für Ausschreibung, Kurtaxe und Mehrkosten für
Referenten (Honorare/Fahrtkosten),  die zusätzlich erbracht werden müssen.

Dieser Beitrag gilt auch, wenn Sie nicht im Stresemanninstitut  untergebracht sind. Er ist am
Tagungsort zu entrichten. Fallen Sie nach der Anmeldung aus und kann kein Teilnehmerersatz gestellt
werden, so fällt eine Bearbeitungsgebühr von 30,-- € an. Bei  Ausfall ein Tag vor dem Seminar, wird
der  volle Teilnehmerbeitrag fällig.

Organisation: Deutscher Geschichtsverein (DGV) des Posener Landes e.V.

Tagungsort: Gustav Stresemann- Institut – Europäische Akademie Bad Bevensen –Klosterweg 4
OT Medingen  29549 Bad Bevensen . Tel. 05821-955-0 Fax 05821-955299.

Unterkunft: Im Stresemann-Institut .Teilnehmer aus Bad Bevensen und Umgebung werden evtl.
gebeten, nach Hause zu fahren, wenn nicht  50 Übernachtungsplätze zur Verfügung stehen. 
Einzelzimmer auf Anfrage möglich – Zuschlag 15,-- €  je Nacht.

Verpflegung: alle Mahlzeiten im Stresemann-Institut für alle Teilnehmer. Auch Frühstück !

Mit freundlichen Grüßen         Horst Eckert  Vorsitzender     

Vorgesehene, angefragte  und geplante Themen  für das Seminar sind

 

09.02.2018

16.00 – 16.30 Uhr Begrüßung, Seminareinweisung

16.30 -  18.00 Uhr Das Papiernotgeld von Ostpreußen, Westpreußen und der Provinz Posen

                            von 1914 – 1923. Manfred Mehl, Hamburg Numismatiker/Sachverständiger

18.00– 19.15 Uhr Abendessen

19.15 – 20.45 Uhr Spaziergang auf Posener Spuren im heutigen Berlin

                              Harald Schäfer, Gersfeld/Rhön – Bildungsreferent der DJO in Hessen

10.02.2018      

08.30 – 10.00 Uhr  Onkel Toms Hütte –Posener Architekten und Bauherren in Berlin

                               Harald Schäfer, Gersfeld/Rhön

10.00  - 10.30 Uhr Kaffeepause

10.30 -  12.00 Uhr Bismarck und die Polen – Dr. Stephan Theilig, Wissenschaftlicher

                               Leiter  des Brandenburg – Preußen – Museums/Wustrau

12.00 Uhr Mittagspause

14.45 – 16.15 Uhr  Umsiedlung der deutsch-baltischen Landwirte und Vertreibung von

                               polnischen Landbesitzern im Reichsgau Wartheland

                              Dipl.-Ing. Andrzech Prus Niewiadomski, Berlin

16.15 – 16.45 Uhr Kaffeepause

16.45 – 18.15 Uhr Ostbrandenburg im Jahre 1945 als Ziel polnischer Siedler aus der

                              Wojewodschaft Posen/Großpolen – Dr. Gerhard Doliesen, Oedeme bei 

                               Lüneburg - Historiker

 18.15 Uhr Abendessen

 

11.02.2018

08.30 – 10.00 Uhr Preußen und die Reformation in Polen – Dr. Stephan Theilig

10.00 – 10.30 Uhr Kaffeepause

10.30 – 12.00 Uhr Die Gegenreformation in Polen – Dr. Martin Sprungala, Dortmund –

                              Historiker

12.00 – 12.30 Uhr Zusammenfassung des Seminars

12.30 Uhr gemeinsames Mittagessen, anschließend Abreise.

 

Sollten Sie noch Fragen haben, rufen Sie an oder „mailen“.

Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für das „Neue Jahr 2018“

(Horst Eckert)

 

 

 

 

 

 

 

Deutscher Geschichtsverein (DGV)

des Posener Landes e.V.

Sparkasse Uelzen Lüchow-Dannenberg Konto

IBAN : DE 26 25850110 0000002121 SWIFT-BIC: NOLADE21UE

Steuernummer: Finanzamt Uelzen 47/219/04850

Geschäftsstelle Horst Eckert Am Pathsberg 23  29549   Bad Bevensen Tel. 05821-7666

e-mail : Eckert.HKW@t-online.de Internet: www.dgv-posen.de

Das 20. Geschichtsseminar des DGV 2017 in Medingen

In diesem Jahr konnte der Deutsche Geschichtsverein (DGV) des Posener Landes e.V. ein Jubiläum begehen, da das diesjährige Geschichtsseminar, das vom 10.2. bis 12.2.2017 im Gustav Stresemann-Institut (GSI) in Medingen, einem Ortsteil von Bad Bevensen, stattfand, das 20. Seminar dieser Art war. Es stand erneut unter dem Titel „Nachbarland Polen. Historische Entwicklung und Rückschlüsse für die Gegenwart“.

Bei der Themenwahl gab es in diesem Jahr große Probleme durch die Erkrankung bzw. kurzfristige Absage von zwei Referenten, aber dem Organisationsteam um Horst Eckert ist es gelungen, diese Lücken mit sehr interessanten Ersatzthemen zu schließen.

Auch in diesem Jahr reisten die Teilnehmer z. T. von weit her an – u.a. vom Bodensee und aus Dresden.

Nach dem gemeinsamen Kaffee begrüßten der Hausherr, der Leiter des GSI, Martin Kaiser, und der Tagungsleiter Horst Eckert die Seminarteilnehmer und führten in die diesjährige Themenauswahl ein.

Die Moderation teilte sich Horst Eckert mit seinem Sohn, Dr. Eike Eckert. Für die Organisation vor Ort war auch in diesem Jahr die Schatzmeisterin des DGV, Gudrun Backeberg, zuständig.

Den Auftakt der Vortragsreihe übernahm der Historiker Dr. Martin Sprungala, Dortmund, mit seinem Referat „Schulverhältnisse in Polen und der Provinz Posen im 18. und 19. Jahrhundert“. Der Referent schlug dabei den Bogen vom den mittelalterlichen Wurzeln des Bildungswesens in Europa bis ins 20. Jahrhundert. Das 4. Laterankonzil hatte 1215 die Unterrichtung künftiger Kleriker in den Grundlagen des christlichen Glaubens beschlossen. Hieraus entwickelten sich langsam die Schulen für angehende Priester bis hin zu den Schulen für das Bürgertum und den Adel.

Vorreiter bei der Einführung der allgemeinen Schulpflichtwar das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken. Der zum Calvinismus konvertierte Herzog Johann I.führte 1592 die Schulpflicht für Mädchen und Knaben ein. Es war das erste Territorium der Welt, in dem so etwas geschah. Die vielgerühmte Einführung der Schulpflicht in Preußen erfolgte erst unter Friedrich Wilhelm I. am 28.10.1717.

Ein Vergleich mit Polen im 18. Jahrhundert zeigt, daß die Adelsrepublik Polen-Litauen seit dem Teilungsschock von 1772 auf einem guten Reformwege war. Am 14.10.1773 wurde eine Nationale Erziehungskommission (KomisjaEdukacjiNarodowej) mit weitreichender Kompetenz gegründet, die man heute als das erste historische Bildungsministerium der Welt und eine der größten Errungenschaften der polnischen Aufklärung betrachtet. Ihre Arbeit wurde jedoch durch die politische Situation behindert und letztlich durch die folgenden Teilungen Polens (1793, 1795), die zur gänzlichen Beseitigung des Staates führten, beendet.

Dr. Sprungala stellte dann den Aufbau des Schulwesens in den preußischen Provinzen Südpreußen und Posen dar, auch anhand der Beispiele der Stadt Fraustadt (Wschowa) und dem Dorf Altkloster (Kaszczor) im Südwesten der neuen Provinz.

Nach dem Abendessen wandte sich die Studienrätin Dr. Aleksandra Janocha, Celle, den „Schulen in Polen heute auch unter Berücksichtigung der Schulen für die deutsche Minderheit“ zu. Sie ist Koordinatorin des Sprachbildungszentrums in Celle, das der Landesschulbehörde in Niedersachsen untersteht. Frau Janocha stellte das polnische Schulsystem seit der Bildungsreform von 1999 vor. Damals wurde die achtstufige Grundschule abgeschafft und durch eine Klasse 0 (Vorschule) mit sechs Jahren Grundschule, gefolgt von einer Gymnasialen Stufe, die nicht dem deutschen Gymnasium entspricht, sondern der Sekundarstufe I. Erst danach gliedert sich das Schulsystem in verschiedene weiterführende Schulen auf. 1999 wurde der Religionsunterricht eingeführt und Russisch als erste Pflichtsprache abgeschafft. Anders als in Deutschland ist der Privatunterricht (Homeschooling) in Polen erlaubt und private Bildungsträger sind auf allen Ebenen zugelassen. Damals wurden ebenfalls reformpädagogische Ansätze wie Waldorf- oder Montessori-Schulen zugelassen.

Die Lehrer werden in Polen schlecht bezahlt, dafür sind die Schulen in der Regel besser ausgestattet als in Deutschland. Jede Schule verfügt z. B. über einen Hausmeister und eine Krankenschwester.

Gegenwärtig wird an einer neuen Schulreform in Polen seitens der nationalkonservativen PiS-Regierung gearbeitet, die einen teilweisen Rückgang in das alte Schulsystem vor 1999 vorsieht und die national-patriotische Bildung stärken will.

Am darauffolgenden Tag eröffnete Prof. Dr. Olgierd Kiec, Universität Zielona Góra (Grünberg), die Vortragsreihe mit dem Thema „500 Jahre des Protestantismus in der Stadt Pozna?/ Posen. Geschichte und Gedächtnis. Religiöse Minderheiten in der Mehrheitsgesellschaft“. Er stellte die Entwicklung der Schulen in Posen von der Gründung der beiden konfessionellen Schulen, der reformierten Petri-Kirche (1548) und der lutherischen Kreuz-Kirche dar (1563). Unter preußischer Herrschaft wurde 1858 die Pauli-Kirche als Hauptkirche gegründet. Ihr Oberpfarrer war stets der Generalsuperintendent der inzwischen unierten preußischen Landeskirche. Basierend auf seinem leider nur auf Polnisch erschienenen Hauptwerk, stellte Prof. Kiec die Entwicklung der evangelischen Kirchen der Stadt Posen bis zum 1. Weltkrieg und dann bis nach 1945 vor.

Die Zwischenkriegszeit hat er mit dem Kapitel „In der ‚polnischsten‘ Stadt der 2. Republik Polen“ überschrieben. Er schilderte die verschiedenen Denkansätze der Generalsuperintendenten in Posen (D. Paul Blau) und Warschau (Juliusz Bursche), die letztlich dazu führten, daß zwischen beiden Richtungen keine Verständigung mehr möglich war. Sie repräsentieren den Konflikt innerhalb der evangelischen Kirche und innerhalb des Protestantismusses in Polen, war Prof. Kiec These.

Anschließend folgte der Vortrag von Dr. Karsten Holste, Halle/S., „Preußische Junker und polnischer Szlachcic. Wie die Aristokratie im 19. Jahrhundert historisch argumentierte, um ihren Anspruch auf Führungspositionen zu erhalten.“ Er führte in die Thematik anhand seiner eigenen Vita ein und stellte die Frage, warum man Historiker wird. Seine Motivation ist die Hinterfragung altbekannter Thesen. Er will altbekannte Fakten neu betrachten. Sein ideengeschichtlicher Vortrag war interessant, denn er zeigte die Hintergründe für Meinungs- und Verhaltensänderungen. Die Adelsbilder zu beiden Gruppen sind Stereotype. Auf der einen Seite der polnische Adel als Freiheitskämpfer und die preußischen Junker als Unterdrücker.

Daß diese Sichtweise oftmals ein Selbstbild darstellt, zeigte der Referent deutlich auf. So träumte der polnische Nationaldichter Adam Mickiewicz von dem Bündnis der Bauern mit dem freiheitsliebenden und dafür kämpfenden Adel, was im Posener Land durchaus Realität wurde. In Gesamtpolen ist diese Sicht jedoch keineswegs vorhanden. Die „Liebe des Adels zu ihren Bauern“ sahen diese durchaus ganz anders. Das Bild der Schlachta änderte sich von den Verursachern der Anarchie in der Adelsrepublik bis hin zu Feinden der Ordnung und des Fortschritts zu den oben beschriebenen Freiheitskämpfern. Man spricht heute noch vielfach von der „Adelsdemokratie“ und dem Freiheitswillen  der polnischen Eliten.

Ebenso entwickelte sich das Selbst- und Fremdbild des preußischen Adels vom widerstreitenden Adel, der sich den Hohenzollern widersetzte und diszipliniert werden mußte, hin zu den Trägern des erfolgreichen deutschen Nationalstaates. Das neuere Bild der Junker sieht sie im Zusammenhang mit einem friderizianischen Militarismus, der Teil eines autoritären Staates war, der letztendlich in den Nationalsozialismus endete.

Nach der Mittagspause hielt Prof. Kiec seinen zweiten Vortrag „Die Staemmler’s – Aus der Geschichte der deutschen Posener Familie“. In Posen war nur wenig über diese Familie bekannt, als der bekannte deutsche Übersetzer polnischer Literatur, Klaus Staemmler (1921-1999), 1993 die Ehrendoktorwürde der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen erhielt. Man wußte noch von dem Konsistorialrat Johannes Staemmler (1860-1947) und fragte sich, ob sie miteinander verwandt seien.

Durch die Forschungen von Prof. Kiec erfuhr er, daß der genannte Gewürdigte sein Enkel war und durch den Kontakt zur Familie konnte er erfahren, welche Bedeutung sie für das Posener Land hatten.

Der erste Staemmler im Posener Land war Pastor Gustav Eduard Staemmler (1826-1885) aus Groß Wusterwitz, dessen Vater aus Wettin stammte. Lange Jahre war er Pastor in Duschnik im Kreis Samter. Sein Sohn Johannes trat dann in seine Fußstapfen und machte Karriere. Er hinterließ Lebenserinnerungen, die vor allem seine Jugendzeit in Duschin betrafen. Prof. Kiec hat diese von der Familie erhalten, abgeschrieben und ins Polnische übersetzt, so daß sie bald veröffentlicht werden.

Johannes Staemmlers zahlreiche Kinder gingen verschiedene Lebenswege. Zwei wurden Ärzte, ein Sohn folgte der Familientradition und wurde Pastor. Politisch gingen sie höchst unterschiedliche Wege. Der Arzt Siegfried Staemmler wurde 1939 bei Kriegsbeginn von der polnischen Polizei verschleppt und kam uns Leben. Ein weiterer Sohn starb unter ungeklärten Umständen im Gefängnis in Danzig. Sohn Wolfgang stand der bekennenden Kirche nahe und wurde unter den Nationalsozialisten inhaftiert, während Sohn Martin als anerkannter Mediziner und Professor dem Regime nahe stand und stark in die Rassepolitik involviert war.

Den letzten Vortrag dieses Tages hielt Dr. Karsten Holste mit dem Thema „Tuch, Tumult und Tyrannei. Die Bürger von Fraustadt im 17. und 18.Jahrhundert“. Es gibt die allgemein vertretene These vom Niedergang der Städte im 17. und 18. Jahrhundert dessen Schuld im Niedergang der polnischen Adelsrepublik gesehen wird. Dr. Holste hat mit seinen neuesten Forschungen am Beispiel Fraustadts dies hinterfragt. In der Stadtgeschichte sah man allgemein den Beginn des Niedergangs am Beispiel des Tuchmacher-Tumults des Daniel Cybon im Jahr 1679/80, der mit dessen Hinrichtung endete.

Dr. Holste hat neue Quellen zur Herkunft des Cybon gefunden und die Vorgänge anhand der Quellen neu beleuchtet. Er untersuche die Quellen zur Größe der Stadt neu und stellte eine hohe Fehlerquote von 30-40 % fest. Entgegen dem alten Niedergangsnarrativ wuchs der Anteil der Tuchmacher- und Leinwandweber und durch den Zuzug von Glaubensflüchtlingen stieg auch die Einwohnerzahl. Der große wirtschaftliche Einbruch trat erst nach 1816 mit der Zollerhebung in Russisch-Polen ein.

Die Zuwanderung und die verstärkte Weberei schufen eine neue Elite in der Stadt, verbunden mit Kriegsschulden führte das zu einem Struktur- und Funktionswandel, von dem die Geschichtswissenschaft seit einigen Jahren spricht. Dr. Holste erklärte die Veränderungen, die durch den Aufstand des Cybon ausgelöst wurden und ihre historischen Hintergründe.

An diesem Abend beging der DGV eine kleine Rückbesinnung auf 20 Jahre Posener Seminare. Die Darstellung von Horst Eckert wird voraussichtlich im nächsten Jahrbuch Weichsel-Warthe erscheinen. Anschließend lud der DGV zu einem deutsch-polnischen Buffet ein.

Am nächsten Morgen stellte Horst Eckert, Bad Bevensen, in seinem Vortrag die „Städte- und Dorfformen im Posener Land“ vor, beginnend mit der Stadt Posen, dessen Altstadt deutlich eine geplante Stadt erkennen läßt. Bei der Stadt Wollstein ist das schon viel schwieriger zu erkennen, viel stärker wiederum bei den Städten Rakwitz und Rothenburg a. d. Obra im Kreis Wollstein. Am Beispiel von Rothenburg erläuterte Herr Eckert, warum sich diese zwischen zwei anderen Städten gelegene, aus einem Hauländerdorf spät gegründete Stadt nicht entwickeln konnte.

Anschließend stellte H. Eckert die Dörfer des Wollsteiner Kreises vor, die als Hauländereien in der Streusiedlung als Haufen-, Anger- oder Straßendorf entstanden sind.

Im zweiten Vortrag dieses Vormittags berichtete RenateSternel, Hamburg, über ihre Teilnahme an der Tagung in Posen „Die Erde birgt noch viele Knochen. Bericht über die wissenschaftliche Konferenz in Posen im Februar 2016“. Der Organisator, Dr. Jerzy Ko?acki, hatte bei der Bundeskulturtagung der LWW 2016 darüber berichtet.

Frau Sternel berichtete auch von persönlichen Erfahrungen, so den Fund des Grabsteins in Grune (Gronowo) von Gotthard Schubert, dem Gründer der altlutherischen Kapelle in Lissa. Diese Kirche ist heute die evangelische Kirche und man hat seinem Grabstein hier einen Ehrenplatz gegeben.

Auch von dem Park der Erinnerung in Schlehen (TarnowoPodgórne) bei Posen u. a. Beispielen berichtete sie.

Der letzte Vortrag dieses Seminars von Prof. Dr. FrankGolczewski, Hamburg, beschäftigte sich mit dem aktuellen Thema „Die neue Regierung in Polen. Chance oder Rückschritt?“ Gleich zu Beginn betonte er, daß er den Untertitel inzwischen ablehne, da er in dieser Regierung keine Chance mehr sehe. Unter der PiS-Regierung fand eine politische Abkehr von der EU statt, nicht aber von den Fördermitteln aus Brüssel. In seinen Ausführungen stellte er dar, wie es zu diesem politischen Wandel in Polen gekommen war. Noch 2010 sah man auf der Wahlausgangskarte deutlich die alte russische, durch Polen verlaufende Grenze. Dies ist bei den Wahlergebnissen von 2015 verwischt. Ursache darin liegt im Versagen der Bürgerplattform (PO), die durch zahlreiche Affären ihren Ruf als Modernisierungspartei verlor. Im Gegenzug gab sich die PiS nun nicht mehr so radikal und Jaros?aw Kaczy?ski zog sich scheinbar aus der Politik zurück, wirkt jedoch weiter im Hintergrund.

Prof. Golczewski sieht auch in Polen das Phänomen der „Abgehängten“, die zum Wahlausgang wesentlich beigetragen haben. Das Vertrauen der Polen in ihre eigene Wirtschaft ist erheblich gesunken, der Drang ins Ausland ungebrochen. Hinzu kamen nun große Versprechungen der PiS, um eine Änderung zu bewirken. Doch dies ist wirtschaftlich nicht finanzierbar, war die Schlußfolgerung des Referenten. Es wurden große sozialpolitische Programme mit Mechanismen des Sozialismus, verbunden mit nationalistischer Ausrichtung geschaffen. Es ist nicht erkennbar, daß sich diese Grundhaltung in der Wählerschaft kurzfristig ändern wird.

Das nächste Seminar ist für die Zeit vom 9. bis 11.2.2018 geplant.

Dr. Martin Sprungala

 

 

 

Rundschreiben  November 2016

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Posener
Heimatfreunde und Mitglieder des DGV

Einladung zum 20. Geschichtsseminar  vom 10.02. – 12.02.2017

Im Namen des „Deutschen Geschichtsvereins (DGV) des Posener Landes e.V.“,
der Landsmannschaft Weichsel-Warthe/Bundesverband,
der Posener Heimatkreise und den „Posener Stimmen“
lade ich Sie zum 20. Geschichtsseminar des DGV herzlichst ein.
Das Seminar wird von der Bundeszentrale für  politische Bildung gefördert (beantragt).

Teilnehmer: Zu diesem Seminar sind alle willkommen, die sich für diese Thematik interessieren.
Sie müssen nicht aus der Provinz Posen stammen.

Anmeldung bitte bis: 10.01.2017 bei – s.o. Briefkopf. – es stehen nur 50 Plätze lt. Förderrichtlinien zur
Verfügung. Bitte senden Sie den beigefügten Anmeldebogen unverzüglich an den DGV zurück, damit
wir eine endgültige Teilnehmerstärke festlegen können.  Auch wenn Sie schon eine Voranmeldung
abgegeben haben !

Zusage wird nach der schriftlichen  Anmeldung im Januar vergeben und auch das endgültige Programm.
Anmeldevordruck letzte Seite.    Es sind noch Plätze frei !

Termin und Zeitablauf: Eintreffen am 10.02.2017 ab 14:00 Uhr. Um 15:30 Uhr Kaffee/16:00 Uhr Seminarbeginn.
Seminarende am 12.02.2017 um 12:30 Uhr - anschließend gemeinsames Mittagessen. Programm  s. Seite 2.

Teilnehmerbeitrag:85,-- € - darin sind Unterkunft im 2-Bettzimmer, Verpflegung, und ein Teil der Kosten
für die Referenten enthalten.

Zusätzlich 25,--€ Organisationszuschlag u.a. für Ausschreibung, Kurtaxe und Mehrkosten für Referenten
(Honorare/Fahrtkosten), die zusätzlich erbracht werden müssen.

Dieser Beitrag gilt auch, wenn Sie nicht im Stresemanninstitut  untergebracht sind. Er ist am Tagungsort
zu entrichten. Fallen Sie nach der Anmeldung aus und kann kein Teilnehmerersatz gestellt werden, so fällt
eine Bearbeitungsgebühr von 30,-- € an. Bei  Ausfall ein Tag vor dem Seminar, wird der volle Teilnehmerbeitrag fällig.

Organisation: Deutscher Geschichtsverein (DGV) des Posener Landes e.V.

Tagungsort: Gustav Stresemann- Institut – Europäische Akademie Bad Bevensen –Klosterweg 4
OT Medingen  29549 Bad Bevensen . Tel. 05821-955-0 Fax 05821-955299.

Unterkunft: Im Stresemann-Institut .Teilnehmer aus Bad Bevensen und Umgebung werden evtl. gebeten,
nach Hause zu fahren, wenn nicht  50 Übernachtungsplätze zur Verfügung stehen.  Einzelzimmer auf
Anfrage möglich – Zuschlag 15,-- €  je Nacht.

Verpflegung: alle Mahlzeiten im Stresemann-Institut für alle Teilnehmer. Auch Frühstück!

Wir wünschen allen eine geruhsame Vorweihnachtszeit.

Mit freundlichen Grüßen         Horst Eckert  Vorsitzender     

 

Vorgesehene, angefragte  und geplante Themen für das Seminar sind u.a.

Schulverhältnisse in Polen und der Provinz Posen im 18. und 19. Jahrhundert
Dr. Martin Sprungala, Historiker - Dortmund

Schulen in Polen heute – auch Minderheiten
Dr. Aleksandra Janocha – Koordinatorin des Sprachbildungszentrums Celle

Die Verkehrserschließung der Provinz Posen durch die Eisenbahn
Wojtek Lis MA , Wolsztyn (Wollstein)/Polen

Bismarck und die Polen
Dr. Stephan Theilig – Wissenschaftlicher  Mitarbeiter des Brandenburg-Preußen-Museums

Protestantismus in der Stadt Posen
Prof. Dr. Olgierd Kiec – Universität Zielona Gora/Grünberg

Die Stämmler’s – Aus der Geschichte der deutschen Posener Familie
Prof. Dr. Olgierd Kiec

Tuch, Tumult und Tyrannei. Die Bürger von Fraustadt im 17. Und 18. Jahrhundert
Dr. Karsten Holste

Preußischer Junker und polnischer Szlachcic. Wie die Aristokratie im 19. Jahrhundert historisch
argumentierte, um ihren Anspruch auf Führungspositionen zu erhalten

Dr. Karsten Holste